Neue Hoffnungshäuser entstehen „zwischen Himmel und Erde“

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Hoffnungshäuser

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Seit 2014 ist Schwäbisch Gmünd für einen neuen Standort der Hoffnungshäuser im Gespräch. Heute wird dort fleißig gebaut – am bisher größten Bauprojekt von Hoffnungsträger. Hier entstehen insgesamt sechs Häuser auf einem Grundstück. Abgesehen von der Architektur sind es vor allem die Menschen, die diese Häuser mit Leben füllen. Zu Besuch bei Martin und Denise Schechinger, Standortleiter in Schwäbisch Gmünd.

Die Wolken hängen tief, es herrscht diesiges Licht und immer wieder kommen Regenschauer herunter. Doch all das schmälert nicht das Glänzen in den Augen von Denise und Martin Schechinger, als wir die Baustelle begehen. Heitere Grüße der Bauarbeiter, ein munteres Winken – hier entsteht etwas ganz Großes, das spürt man. Noch ist es eine Baustelle, aber die Umrisse der Häuser malen sich schon ab. Hinten am Hang stehen bereits die Sockel von zweien der klassischen Hoffnungshäuser. Architektur, wie sie bereits in Esslingen und Bad Liebenzell steht: ein Sockel aus Beton, darauf thronen geschwungene Holzfassaden, die in Modularbauweise errichtet werden.

Martin Schechinger schaut nach, wie der Stand der Dinge auf der Baustelle ist.

„Man muss schon viel Vorstellungsvermögen haben, um sich alles richtig auszumalen – aber hier wird unsere Werkstatt entstehen!“ Martin klettert über Querstreben aus Metall und steigt auf den Sockel eines der Häuser. Er deutet die Konturen des Raumes an, der hier entsteht. Der Boden glänzt nass vom Regen, an den bereits bestehenden Außenwänden binden mehrere Arbeiter Stahlstreben zusammen. „Hier kann dann jeder herkommen, der an etwas basteln oder bauen will, der Unterstützung braucht, oder der einfach gerne in Gesellschaft ist.“

Für Martin, den gelernten Produktdesigner, ist diese Werkstatt ein Herzensanliegen. Hier soll gewerkelt werden, jeder kann das einbringen, was er weiß und kann, Talente können entdeckt werden. Martin will Impulse geben und Menschen durch seine Expertise in den verschiedenen Phasen der Planung und Umsetzung von Vorhaben unterstützen.

INTEGRATIVES WOHNEN IN IDYLLISCHER LAGE

Konkret geplant sind an dieser Stelle vier Hoffnungshäuser nach dem klassischen Modell: zur Hälfte bewohnt von der Auffanggesellschaft, zur anderen Hälfte von Geflüchteten. Die gemeinsamen Wohnflächen zwischen den Häusern, Grünfläche und verbundenen Balkone sollen zur gelebten Gemeinschaft einladen. Das Alleinstellungsmerkmal des Standorts Schwäbisch Gmünd werden die zwei zusätzlichen, massiven Häuser für Seniorenwohnen sein, die in vorderster Front des Geländes entstehen. Hier wird eine Tiefgarage errichtet und es wird einen Aufzug geben – um barrierefreies Wohnen zu ermöglichen. Zudem sollen sich hier die Büros der Standortleitung befinden und auch ein großer Gemeinschaftsraum.

„Hier können wir mit beiden Beinen auf der Erde stehen und gleichzeitig voller Hoffnung nach oben schauen.“ Denise Schechinger

Die Hoffnungshäuser entstehen in bester Lage: Kaum fünf Gehminuten vom Bahnhof entfernt im Taubental. Ein idyllisches Tal mit grünen Hügeln, Waldstücken, freistehenden Häusern und dem Salvatorberg im Rücken. Der Salvator ist ein Ort der Besinnung für die Gläubigen in Gmünd. Der Wallfahrtsweg zieht zum Beispiel an Ostern viele Pilger an. Zum Gelände der Hoffnungshäuser gehört auch ein Waldstück, das zum Teil unter Biotopschutz steht, also naturbelassen bleibt. 2014 war das Taubental stark frequentiert, als Besucher der Landesgartenschau zwischen den Ausstellungsflächen „Himmel“ und „Erde“ wanderten.

Auf dieser Lichtung kann man die Natur genießen, wenn es im Hoffnungshaus mal zu eng wird

„Zwischen Himmel und Erde – das ist doch auch ein schönes Motto für das Hoffnungshaus“, meint Denise. „Hier können wir mit beiden Beinen auf der Erde stehen und gleichzeitig voller Hoffnung nach oben schauen,“ hier ist es Denise, die ihrerseits ins Schwärmen gerät. Ihre Augen leuchten, als wir auf der Lichtung im Wald stehen, die zum Gelände der Hoffnungshäuser gehört: „Wir sind hier stadtnah und gleichzeitig mitten im Grünen. Hier kann man herkommen, wenn einem das Haus mal zu eng wird, wenn man Natur und Freiraum braucht.“

SCHWÄBISCH GMÜND IST OFFEN FÜR FLÜCHTLINGE

Familie Schechinger lebt seit 11 Jahren in Schwäbisch Gmünd. Hier sind die drei Töchter geboren und aufgewachsen. Martin Schechinger hat in Gmünd an der Hochschule für Gestaltung studiert und über 10 Jahre erfolgreich als Produktdesigner gearbeitet. „Schwäbisch Gmünd ist eine Stadt mit guten Wurzeln und hat den Blick nach vorne gerichtet. “ Er spricht von der städtebaulichen Veränderung und den innovativen Gedanken im Umgang mit gesellschaftlichen Veränderungen.

Die Stadt kämpft seit Jahren für eine gelungene Integration. Der sogenannte „Gmünder Weg“ verspricht schnelle Integration in allen gesellschaftlichen Bereichen. Eine dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen, Deutsch zu lernen, eine Ausbildung zu machen, Arbeit und gesellschaftlichen Anschluss zu finden wird von der Stadtverwaltung gewollt und unterstützt. So auch die Hoffnungshäuser. Zur Unterstützung von interkulturellem Austausch gibt es am Bahnhof Sportplätze zur Nutzung für alle: ein Fußballplatz, ein Basketballplatz und sogar Trampoline. Eine optimale Voraussetzung, um in Gruppen zu spielen und miteinander in Kontakt zu kommen. Auch solche Faktoren machen den Bau eines Hoffnungshauses an dieser Stelle so attraktiv.

AKTUELL LÄUFT DIE BEWOHNERSUCHE

Dabei sieht man heute nicht die Vorgeschichte, die dem Bau der Häuser zugrunde liegt. Seit dem Jahr 2014 steht Hoffnungsträger im Gespräch mit der Stadt. Das ursprüngliche Gebäude an der Stelle – das ehemalige Pallottiner-Internat St. Bernhard – ist inzwischen Vergangenheit. Der Ort wird in Zukunft durch die preisgekrönte Architektur von  AndOffice ein neues Gesicht bekommen. Nach vielen Gesprächen, Standortbegehungen und ausgiebigen Planungen wurde im Mai 2018 der Grundstein gelegt. Die Hoffnungshäuser und das Seniorenwohnen sollen bis Ende 2020 fertiggestellt sein.

Mit dem Bau der Häuser ist allerdings nur der physische Teil erreicht. Dass dieser neu entstehende Raum auch geistlich und emotional gefüllt wird, dafür ist Familie Schechinger zuständig. Seit Oktober 2018 sind Martin und Denise bei Hoffnungsträger angestellt. Seitdem entwickeln sie das inhaltliche Konzept weiter und berichten darüber, um die Hoffnungshäuser bekannt zu machen. Sie leisten wichtige Vorarbeit, um einen Ort zu schaffen, an dem Geflüchtete, Einheimische und Senioren sinnstiftend zusammenleben werden. Sie suchen Bewohner, die sich bewusst auf das Miteinander einlassen und sich mit Respekt und Offenheit begegnen.

„Die Hoffnungshäuser sollen ein Ort sein, an dem sich alle Bewohner angenommen wissen, aber auch gefordert werden. Von hier soll etwas Positives ausgehen.“ Martin Schechinger

In Vorlesungen wie dieser informieren sich die Schechingers über das Thema Migration und Integration

Heute besucht Martin eine öffentliche Vorlesung zu Interkulturalität und Integration in der Pädagogischen Hochschule (PH). Gemeinsam mit Studierenden und Interessierten drückt er die Bank und lauscht dem Vortrag von Prof. Dr. Stefan Luft von der Uni Bremen zum Thema „Solidarität lässt sich nicht erzwingen. Lehren aus der Flüchtlingskrise 2014-2016.“

Der Vortrag ist sehr allgemein, handelt von Migration und Migrationspolitik in Europa, es gibt wenig konkrete Handlungsempfehlungen für die Zivilbevölkerung. Aber das macht Martin nichts aus: „Ich kann das Thema Völkerbewegung in seinem Kern nicht steuern, sondern ich kann sagen: die Person, die jetzt da ist, da möchte ich ein Gegenüber sein und einen Rahmen anbieten, dass diese Person – und wenn es nur für einen kurzen Zeitraum ist – sich hier in Deutschland entfalten kann.“

MIT VOLLER MOTIVATION NACH VORN

Das ist seine Vision vom Hoffnungshaus: „Ein sich Gegenüberstehen und gemeinsam das Leben zu gestalten, auch Gemeinsamkeiten zu entdecken auf allen Ebenen. Gemeinsame Interessen leben und Fragen an das Leben und den Glauben zu stellen.“ Denn für Martin ist ganz klar: „Eine Veränderung passiert sowieso durch die Buntheit der Bevölkerung, da kann man zuschauen oder anfangen, mitzugestalten. Es bleibt ein Abenteuer, weil niemand weiß, wo es hinführt.“ Die Hoffnungshäuser sollen ein Ort sein, „von dem etwas Positives ausgeht, das vielleicht nachhaltig die Gesellschaft verändern kann.“

Nach der PH geht es nach Hause. Die jüngste Tochter ist bereits aus dem Kindergarten zurück, draußen kommen die beiden großen Mädchen angerannt. Noch lebt die Familie in einer Wohnung ein Stück entfernt von den Hoffnungshäusern. Im obersten Stock haben sich Martin und Denise ein Arbeitszimmer eingerichtet, um hier ungestört Papierkram zu erledigen.

„Papa, zeig noch mal deine Präsentation für die Gemeinden“, fordert die Mittlere. Die ganze Familie wartet gespannt. Martin Schechinger holt die Pappen raus, die er extra zur Präsentation der Hoffnungshäuser vor den umliegenden Kirchengemeinden, von denen sie sich Unterstützung und auch Bewohner erhoffen, in liebevoller Kleinstarbeit gebastelt hat.

In liebevoller Kleinstarbeit hat Martin eine Präsentation des Hoffnungshauses gebastelt

Man spürt die freudige Erwartung der Familie, an diesem Ort etwas Großes entstehen zu lassen. Oder, wie es Martin Schechinger sagt: „Ich hoffe, dass unsere konzeptionelle und kreative Stärke und auch unsere Bereitschaft, Dinge immer wieder neu zu denken, für die Bewohner ein neues Zuhause schaffen kann.“

ERÖFFNUNGSFEIER DER DREI HOFFNUNGSHÄUSER IN ÖHRINGEN.

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Wohnen im Hoffnungshaus

Weltflüchtlingstag